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Der Mythos Fremdenlegion

Peter Huber

Eine andere Form der Faszination des Fremden. Zwischen 1945 und 1962 waren 2120 Schweizer als Söldner in der Elitetruppe der französischen Armee in Algerien oder in Indochina im Einsatz. Viele von ihnen hatten eine schwierige Kindheit, schlechte Jobs oder bekamen blosse Hilfstätigkeiten, keine oder eine abgebrochene Berufslehre, zu früh Kinder, Schulden, manchmal Straftaten. Mit diesen Defiziten und einer ihnen feindlichen Situation hatten sie null Chancen in der Gesellschaft. Sie kamen zur Einsicht, dass ein weiterer Verbleib in der Schweiz unmöglich und die ökonomische Perspektivlosigkeit für sie verheerend waren.

Hintergrund:
Der Autor des Buches hat die Thematik Fremdenlegion unter verschiedenen Aspekten untersucht. Dies aufgrund inländischer und ausländischer Akten. Abenteuerlust war nur zu einem kleinen Teil, der Beweggrund. Aus der Gesamtzahl filterte er rund einen Fünftel oder 424 Schweizer Legionäre. Die meist jungen Menschen, welche in die Fremdenlegion aufbrachen, versuchten einen Neubeginn ennet der Grenze. Weil ihnen Vieles in der Schweiz verbaut war und tragfähige Alternativen fehlten. Gerade Heime, waren Brutstätten von Gewalt und Erniedrigung. Flucht ein wichtiger Ausweg, um die in die Fremdenlegion zu gehen. Als Waisen-, Pflege-, Verdingkinder, ungelernte Hilfsarbeiter oder die abgebrochene Lehre waren sie schwarze Schafe. Dazu war der Druck durch Armut, Partnerschaft, Familie, Gesellschaft und Staat nicht selten übermächtig. Deshalb nichts wie los!

Die grossen Erwartungen an die neue Aufgabe wurden schon bald durch den Drill und die Kriegsrealität in Algerien und Indochina ernüchtert. Bei guter Führung gab es für sie jedoch auch Chancen. Die belastende Vergangenheit des Heimatlandes zählte plötzlich nicht mehr. Und die Verdienste der Einzelnen je nach Verpflichtungsdauer honorierte die Fremdenlegion mit einer Pension. Diejenigen, welche nach dem korrekten Ausscheiden aus dem jahrelangen Engagement im französischen Mutterland eine neue Existenz suchten, bekamen Jobs in der Industrie, der regulären französischen Armee oder der Verwaltung. Wer zurück in die Schweiz kam, landete wegen dem Verbot des fremden Kriegsdienstes zunächst vor dem Divisionsgericht. Verdienstmedaillen, gute Führung und plausible Verteidigungen führten mehrheitlich zu Straferlassen oder bedingten Strafen. Die Militärgerichtsbarkeit musste erkennen, dass in Vielem gefestigte junge Männer zurückkamen, welche die diffamierenden Urteile in den alten Akten Lügen straften. Gegen Schweizer, welche als Offiziere in der Fremdenlegion tätig waren, wurde jedoch kaum je ermittelt oder Strafen verhängt. Klassenkampf! Eine offizielle Stellungnahme und eine Aufarbeitung fehlen immer noch. Einige Ehemalige haben schriftliche Spuren hinterlassen in Biografien oder Romanen.

Textstellen:


Fluchtpunkt Fremdenlegion - Schweizer im Indochina- und im Algerienkrieg 1945-1962, Peter Huber, Chronos Verlag, 2017
Kurzbiografie:
Peter Huber ist ein Schweizer Historiker sowie Privatdozent für Neuere Allgemeine und Schweizergeschichte an der Universität Basel. Er forscht und publiziert.

Siehe auch: Fremdenlegionär Nr. 5720 Leonard Buholzer


Roman: Gourrama Ein Roman aus der Fremdenlegion
Mein »Schmerzenskind« hat Glauser seinen Roman über die Fremdenlegion genannt. Als er acht Jahre nach seiner Entstehung schliesslich in einer Zeitschrift erschien, musste er um siebzig Seiten gekürzt werden. Ausserdem begann Glauser, den die Zeit in der Legion nie losliess, ganze Teile des Werkes neu zu schreiben. Es ging ihm in der Schilderung jenes entlegenen Militärpostens im südlichen Marokko um keine geringere Frage als die, was der Mensch sei und was ihn umtreibe. Glauser selber war 1921-23 in Nordafrika in der Fremdenlegion und hat seinerzeit, die Zustände und die Kameraden in Episoden hervorragend portraitiert. Es sind beeindruckende Charakterstudien aus einem bunten „Haufen“ von Söldnern verschiedener Nationen.

 
  Dokument Gute Führung René Schüpbach Scheidungskind, Verdingbub, Legionär

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