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Marie Métrailler: Die Reise der Seele

Marie Métrailler

Schriftliche Zeugnisse über Einzelpersonen aus den Berggebieten, ihren Lebensbedingungen, ihrem Denken, ihrem Engagement in den damals meist noch isolierten Dörfern, Weilern und Talschaften am Anfang des 20. Jahrhunderts sind selten. Die während fünf Jahren aufgezeichneten Interviews mit Marie Métrailler aus dem Val d’Hérens im Wallis sind deshalb ein Glücksfall. Dazu gibt es noch ein Video, welches kurz vor ihrem Tod entstand.

Kurzportrait:

Die Bäuerin Marie Métrailler *1901 wuchs im einst abgelegenen Bergdorf Evolène als Älteste von sechs Geschwistern auf. Früh musste sie Arbeiten auf dem Hof verrichten, besuchte nur Hälfte des Jahres die Schule. Das so entstandene Buch ist das Ergebnis der über die Jahre 1974-1979 geführten Gespräche mit der Schriftstellerin Marie-Magdaleine Brumagne. Unbefriedigt und enttäuscht vom Leben rettete sich die junge Frau Marie Métrailler in eine ihr eigene Gedankenwelt, welche von der Lektüre zahlreicher Bücher beeinflusst war, mit welcher sie sich Zugang zu einer spirituellen Ebene fand. Geprägt von den Mythen ihrer Kindheit begriff sie früh die Kräfte und Mächte der Natur. Gegen alle Widerstände ging sie ihren eigenen spirituellen Weg und wurde schliesslich zu einer wichtigen Anlaufstelle für Ratsuchende.

Die "Weise von Evolène" wurde die Bäuerin Marie Métrailler genannt. Ihre Kindheit war jedoch den harten Gesetzen des bäuerlichen Lebens und eines bigotten katholischen Glaubens unterworfen. Sie beharrte auf ihrer Eigenständigkeit als Frau, indem sie gegen den Widerstand des ganzen Dorfes einen Laden eröffnete. Schon bald suchten berühmte und weniger berühmte Zeitgenossen bei ihr Rat in existentiellen Fragen. Daraus wurde das Porträt einer mutigen Autodidaktin, die ihre Freiheit lebte.

"Jemand, der jetzt gestorben ist, sagte einmal ziemlich spitz: ´In Evolene haben wir nur einen Mann und das ist eine Frau.´ Das war auf mich gemünzt."

Diese selbständige Frau, wurde von der Gemeinde beargwöhnt. Sie erklärt es folgendermassen: "Mein wirkliches Problem hier war, dass ich nicht bigott war. Ich arbeitete, tat niemandem etwas zuleide. Die Gläubigen gingen zu ihrem frommen Zauber, ich nicht." Sie brach mit der Kirche, die ihr von Kindesbeinen nur ein schlechtes Gewissen vermittelte und sie quälte. Marie Métrailler war eine Frau, die ihre intellektuelle Kraft vor allem aus sich selbst schöpfte und ihr Einsiedlertum nutzte, um sich und anderen Menschen eine Herzensbildung zu bescheren. Textilwerkstatt: Zusammen mit Frauen des Dorfes wob sie Stoffe nach teilweise alten Vorlagen, schuf damit eine wichtige Erwerbsgrundlage für die Frauen in dieser archaischen Welt. Ihr Laden besteht heute noch. Bis vor wenigen Jahren durch einen Enkel geführt, dessen Witwe ihn nun betreibt.

Text: Walter Zwahlen

Im Ortsmuseum in Evolène sind Zeugnisse ihres Schaffens ausgestellt.


Marie Métrailler: Die Reise der Seele - Die Lebensgeschichte einer weisen Bäuerin
Das Buch über Marie Métrailler erschien 1980 erstmals unter dem Titel „La poudre de sourire“. Die Übersetzung auf Deutsch wurde von der Pro Helvetia finanziert. Die deutsche Version kam erstmals 1982 im Benziger und Ex Libris Verlag heraus. Ab 2008 auch beim Piper Verlag, der inzwischen schon die 6. Auflage erreichte. Und seit 2017 gibt es eine Stiftung unter ihrem Namen.



Video: Marie Métrailler, tisserande d’Evolène, noir-blanc, 41 min Production plans-fixes 1978
Un an avant de disparaître raconte sa vie de paysanne de montagne dans le Valais avant le tourisme. Elle parle de la condition des femmes au début du siècle, du pouvoir des curés sur les âmes, des relations humaines et du travail cotidien. Elle évoque le surnaturel qui nourrit les légendes. Par son refus de la soumission et l’injustice, et par sa quête de ce qui élève l’homme, elle affirme une personnalité hors du commun. L’économie autarcique du village d’Evolène, ses traditions ses joies, ses fêtes, les travaux des gens de la montagne. Elle a vécu tout cela en profondeur, ella a venir la civilisation moderne, avec ses aspects positifs et déstructeurs.