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Das Narrenschiff des Sebastian Brant (1457–1521)

Das Narrenschiff

Das Werk 1494 von Johann Bergmann von Olpe in Basel gedruckt, wurde das erfolgreichste deutschsprachige Buch vor der Reformation. Eine spätmittelalterliche Moralsatire, in Versform die eine Typologie von über 100 Narren bei einer Schifffahrt mit Kurs auf das fiktive Land Narragonien entwirft und so der Gesellschaft durch eine unterhaltsame Schilderung ihrer Laster und Eigenheiten mit Texten den Spiegel vorhält. Das Werk wurde 1497 ins Lateinische übersetzt und in verschiedenen Sprachen in ganz Europa verbreitet. Wegen seines Erfolgs kamen Nachahmer auf den Geschmack und druckten zahlreiche Raubkopien. Das Buch ist zugleich der erste bekannte Comic. Ein einzigartiges Beispiel, wie sich der Autor in einer leseunkundigen und bildungsfernen Welt zu helfen wusste, um seine Botschaft an den Mann/die Frau zu bringen. Das Konzept des Buches basiert auf den damals verbreiteten, fliegenden Blättern, welche mit der Erfindung des Buchdrucks von Johannes Gutenberg 1450 aufgekommen waren.

Inhalt
Das Buch gliedert sich in eine «vorred» und 112 Kapitel, die in den meisten Fällen jeweils ein typisches menschliches Fehlverhalten oder Laster beschreiben und als Auswuchs närrischer Unvernunft präsentieren, so z. B. Habsucht, Kleidermoden, Schwatzhaftigkeit oder Ehebruch. Auch Regierende bekommen gute Ratschläge und ein neuer Heiliger namens St. Grobian tritt als Flegel auf. Das Schlusskapitel stellt diesem Reigen von Narren das Modell der Lebenshaltung des Weisen als Ideal gegenüber und klingt im Schlussreim mit dem Namen des Autors aus. Ist der Narr durchgehendes Leitmotiv, so taucht das Narrenschiff nur einige Male auf. Brant lässt aber keinen Bereich des Lebens und des Wissens aus, dem nicht eine Kategorie der Narretei zugeordnet werden könnte.

Sebastian BrantDer Autor
Sebastian Brant (geboren 1457 oder 1458 in Strassburg; gestorben 10. Mai 1521 in Strassburg), latinisiert Titio, war ein deutscher Jurist, Professor für Rechtswissenschaft an der Universität Basel (1489–1500) und von 1502 bis zu seinem Tod 1521 Stadtsyndikus und Kanzler der Freien Reichsstadt Strassburg. Er war einer der produktivsten Autoren lateinischer Andachtslyrik und Herausgeber von antiken Klassikern und Schriften italienischer Humanisten. Sein 1494 veröffentlichtes Werk Das Narrenschiff begründete seinen Ruhm als Autor des deutschen Humanismus.

Text: Walter Zwahlen

Vier Themenbeispiele und Textausschnitte:

Nr. 16 Von Völlerei und Prassen
Der zieht einem Narren an die Schuh,
Der weder Tag noch Nacht hat Ruh,
Wie er den Wanst füll’ und den Bauch
Und mach’ sich selbst zu einem Schlauch.
Denn er zerstört Vernunft und Sinne,
Des wird er wohl im Alter inne,
Wenn ihm dann schlottern Kopf und Hände,
Er kürzt sein Leben, ruft sein Ende...

Nr. 49 Schlechtes Beispiel der Eltern
Man findet weder Zucht noch Ehre,
Die Welt ist jetzt voll schlimmer Lehre.
Die Väter tragen Schuld daran,
Die Frau lernt es von ihrem Mann,
Der Sohn zum Vater sich gesellt,
Die Tochter zu der Mutter hält.
Und wenn der Abt die Würfel leiht,
Sind die Mönche spielbereit!

   

Nr. 60 Von Selbstgefälligkeit
Der rühret wohl den Narrenbrei,
Wer wähnet, dass er weise sei,
Und wer sich selbst gefällt gar wohl.
In den Spiegel sieht er stets wie toll
Und kann doch nicht bemerken das:
Dass er einen Narren sieht im Glas.
Wem so gefällt Gestalt und Werk,
Das ist der Aff von Heidelberg.

Nr. 101 Vom Ohrenblasen
Als leichtfertig nenn ich euch jetzt
Den, welcher glaubt, was jeder schwätzt,
Ein Klatschmaul viele Leut verhetzt.
Das sind die Zeichen eines Toren,
der hat dünn und weit die Ohren.
Aber verleumden hinter dem Rücken,
Gehört jetzt zu den Meisterstücken.
Ein Urteil über manchen geht,
Der nie vor einem Richter steht.