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Seemannsgarn historisch-wissenschaftlich betrachtet

Marcus Rediker

Die Bevölkerung vieler Nationen war über Jahrhunderte von den Berichten der Seeleute über das Leben und Geschehen auf den Meeren fasziniert. Die individuellen Ausschmückungen der Erzählungen führten zum Begriff Seemannsgarn. Die so dargebotenen Geschichten wurden weitergesponnen. Das hiess, die einzelnen Erzähler fabulierten, ergänzten, setzten andere Schwerpunkte, so dass zwischen Realität und Dichtung oft grosse Lücken klafften. Besonders geschätzt wurden die Abenteuer von Piraten, Freibeutern und Korsaren. In seinem Buch rückt der Forscher Marcus Rediker die einzelnen Faktoren ins rechte Licht und zeigt unbekannte, unbeachtete und einseitig bewertete Dynamiken aufgrund von historischen Belegen. So die unmenschlichen Bedingungen auf Kriegs- und Handelsschiffen am Beispiel der britischen Marine.

Desertieren oder Aufstände wurden geradezu herausgefordert. Gelang es der Mannschaft ein Schiff in ihre Gewalt zu bekommen, blieb ihr nur die Möglichkeit, als Seeräuber ihr Leben weiter zu bewältigen. Rediker zeigt dabei auch, dass auf einigen erbeuteten Schiffen eine grosse Solidarität und Mitsprache der Mannschaft entstand. Diese Entwicklung war zwingend, damit die elementarsten Menschenrechte auch endlich in der Seefahrt Eingang fanden. Auch am Beispiel der Sklavenschiffe, welche von Afrika aus die Arbeitskräfte für die Plantagen nach Nordamerika transportierten, wird deutlich, wie durch solche Aufstände. Streiks und Rebellion die Grundlage für die später erfolgte Aufhebung der Sklaverei gelegt wurde. Massgeblich am Erfolg solcher Stories war auch das Bedürfnis weiter Bevölkerungskreise für Freiheit. Journalisten, Autoren und Regisseure bedienten sich des Genres und schufen aus den überlieferten Geschichten die Helden, die in Büchern, Zeitungen, Theaterstücken und Filmen zu Identifikationsfiguren wurden.


Les Hors-la-loi de l'Atlantique - Pirates, mutins et flibustiers,
Marcus Rediker, Editions du seuil, 2017
Marcus Rediker est le grand historien des hors-la-loi de l’Atlantique. Il explore ici le monde fascinant de l’aventure maritime du point de vue des pirates, flibustiers, travailleurs forcés en révolte, esclaves marrons, fuyards et autres mutins, qui ont défié l’autorité depuis le pont inférieur des navires. Il nous fait entrer dans leur univers de récits et de contes de marins, retrouver la signification de leurs tatouages, comprendre les formes d’organisation égalitaire au sein de la piraterie et les rebellions de différentes catégories de travailleurs de la mer asservis – européens et africains – de ces « équipages bigarrés », pénétrés d’esprit révolutionnaire et défendant leur liberté par le feu et par les armes. Il montre à quel point, entre le XVIIème et début du XIXème siècle, ces hommes ont façonné l’histoire du monde contemporain – trop longtemps focalisée sur le national, le rôle des élites politiques et l’histoire « terrestre ». Marcus Rediker est professeur d’histoire atlantique à l’université de Pittsburg. Historien, écrivain et militant des droits de l’homme, il est spécialiste de l’histoire maritime.


Kurzinhalt deutsch:
Marcus Rediker ist der führende Historiker über die Gesetzlosen der Schifffahrt auf dem Atlantik. Er führt uns in die faszinierende Welt des Abenteuers Seefahrt ein. Er zeigt aus der Sicht der Piraten, Komparsen, Freibeuter, Zwangsarbeiter und schwarzen Sklaven, wie sie sich durch ihre Revolten den Befehlshabern widersetzten. Er bedient sich dabei auch der überlieferten Erzählungen, der Märchen, erklärt die Bedeutung der Tätowierungen und beschreibt die Details der demokratischen, solidarischen Gesetze auf den Piraten- und Sklavenschiffen, welche sie nach ihrem Kampf mit Waffen für die Freiheit errungen hatten, die für alle galten. Und er vermittelt uns die Bedeutung des Engagements, welche all diese Rebellen vom 17. bis zum 19. Jahrhundert für den Verlauf der Weltgeschichte bis heute hatten. Gegen eine Gesellschaft, die lange nur auf Nationalstaaten setzte, gegen den Machterhalt durch die politischen Eliten und die Wahrung ihrer Gebietshoheit. Marcus Rediker ist Professor an der Universität in Pittsburg. Historiker, Schriftsteller und engagierter Kämpfer für die Menschenrechte mit besonderem Gewicht auf die Geschichte der Seefahrt.