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Siechenhäuser in der Schweiz

Leprakranker mit Klapper

Lepra ist weitgehend aus den Medien verschwunden. Dass es die Krankheit einst auch in der Schweiz gab, wissen nur noch wenige Menschen. Die vielen ehemaligen Gebäude bis hinein in kleinere Ortschaften sind fast durchwegs verschwunden, verfielen, verbrannten wurden zerstört oder einem ändern Zweck zugeführt. Daraus entstanden manchmal Asyle, Altersheime, Spitäler, oder Strafanstalten.

Der Aussatz - eine Geissel Gottes für gestrafte Sünder oder eine Aufforderung der Vorsehung an die gesunden Mitmenschen zu Nächstenliebe und Barmherzigkeit? Zwischen diesen Extremen schwankte auch in der Schweiz des Mittelalters die öffentliche Meinung über die Leprakranken. Der Aussatz erreichte die Schweiz bereits zur Römerzeit. Die davon Angesteckten wurden ausgestossen, isoliert oder landeten auf der Strasse, sofern sie nicht in einem Kloster Unterkunft fanden, welches von frommen Stiftungen unterstützt wurde. Städte und Gemeinden erbauten in unserem Lande vom 12. bis zum 16. Jahrhundert weit über zweihundert Siechenhäuser zur Aufnahme Leprakranker. Darunter gab es auch wenige grosse Betriebe mit angegliederter Landwirtschaft. Man überliess den einzelnen Kranken auch verfallene Hütten abseits der Siedlungsorte. Den Lebensunterhalt mussten diese durch Betteln und Almosensammeln selbst erarbeiten. Das Quellenmaterial aus der Geschichte dazu ist reichlich: Schauprotokolle bei der Diagnose zur Einweisung, strenge Hausordnungen, Einkaufsgebühren, Pfrundverträge, Speisezettel, Hausinventare und Finanzen der Siechenhäuser sind in vielen Archiven bis heute erhalten. Wer aber die geforderte Einkaufssumme nicht aufbringen konnte oder nicht ortsansässig war, musste sich dem Heer der heimatlosen Feld- und Wandersiechen anschliessen. Diese waren nirgends willkommen und kaum geduldet. Die medizinische Behandlung beschränkte sich auf Bäder, Salben und zum Teil merk- und fragwürdige Diäten. Die Rechtsstellung der am Aussatz Erkrankten verschlechterte sich im Lauf der Zeit, zunehmend. Sie wurden wie Unmündige behandelt. Da man die Krankheit irrtümlich für erblich hielt. Den durch das Leid sowieso isolierten wurden Heirat und sexuelle Beziehungen fast überall verhindert oder verboten.

Auszug aus der Liste:
Aargau
Aarau, 1441-17. Jh. im 18.+19. Jahrhundert Asyl + Taubstummenanstalt.
Baden, 1469-17. Jh. 1652 erweitert für Arme, sonstige Kranke, Waisen, Sträflinge, Bettler, ab 1700 Renovation, 1728 als Armenasyl erwähnt, 1798 Lazarett, bis 1912 als Spital verwendet, 1888 durchgehend renoviert, heute städtisches Altersasyl.
Zofingen, 1408-ca. 17.Jh., 1447 Kapelle + Kaplan, 1520 neue Ordnung, 1610 Neubau, 17.-19. Jh. Asyl für Kranke und Gebrechliche.
Appenzell Ausserrhoden
Trogen, 1598-1791, grosses und kleines Siechenhaus, 1795 verkauft.
Appenzell Innerrhoden
Appenzell, 1517-19. Jh., im 19. Jh. Armenhaus.
Baselland
Liestal, 1500 bis 17. Jh., im 19. Jh. unteres Spital für ansteckende Kranke und Arme, 1769 Neubau, 1851 nach dem Bau des Kantonsspitals aufgegeben.
Basel-Stadt
Basel St. Alban, 12877-1417. Leprosenstation des Klosters, 1417 Brand.
St. Jakob an der Birs, 1265-1677, 1444 abgebrannt, aber wiederaufgebaut, 1570,1700 und 1829 Renovationen, 1677 bekommt das städtische Waisenhaus den Fonds des Siechenhauses.
Binningen, Beginn unbekannt, auf einem Stich aus dem 18. Jh. Abgebildet.
Bern
Aarberg, 16.Jh., für Aarberg, Nidau, Frienisberg, im 17. Jh. Siechenamt mit Spitalamt und Pfrundamt, im 18. Jh. Soldatenunterkunft
Biel, 1411-17.Jh. 1619-27 Neubau, 1737 baufällig, 1781 Siechenamt aufgehoben.
Bern Ausserkrankenhaus, 1283-17. Jh., 1288 abgebrannt, 1409 Neubau am Obstberg, 1491 aufs Breitfeld bei Bolligen verlegt, 1539 Renovation, 1598 Neubau, 1601 Blatternhaus für Syphiliskranke, 1643 Siechen- und Blatternhaus zusammengelegt, 1746 Tollhaus für Geisteskranke, 1755 Neubau des Blatternspitals, 1765 Siechen- und Tollhaus vereinigt und als Ausserkrankenhaus bezeichnet, 1841 juristisch und 1908 finanziell mit dem Inselspital vereinigt.
Burgdorf, 1316, 1506 Neubau des Siechenhauses, 1798 nach der Plünderung durch die Franzosen aufgegeben.
Huttwil, 1583-17. Jh., 1605-1611 diente das Siechenhaus als Pestspital, 1804 verkauft, 1868 wurde der Trägerverband aufgelöst, am Ende des 19. Jh. Abgebrochen.
Thun, 1340/1436, 1518 Neubau mit separatem Siechenstock, daneben andere Kranke und Arme, 1746 letzte Aufnahme einer Frau mit Aussatz, 1769 Abbruch und Neubau des Waisenhauses.
Freiburg
Bourguillon, 1252-1650, 1437 zerfallen, 1492 abgebrannt, 1498 Neubau, seit Mitte 17. Jh. für andere Kranke genutzt, 1798 an die Stadt Freiburg verkauft, 1838 von der Stadt an Private weiterverkauft, im selben Jahr abgerissen weil baufällig.
Murten, 1327-18. Jh. 1619 abgebrannt, Neubau, Renovationen 1656/1787/1830, Einweisungen bis 1786 auch von Kranken anderer Art, 1858 an Private verkauft
Genf
Carouge, 1272-1530, Haus 1790 abgebrochen.
Glarus
Keine Siechenhäuser, ab 1491 wurden Leprakranke zur Schau nach Zürich geschickt.
Luzern
Beromünster-Gunzwil, 1347-18.Jh., nach 1730 Armen- und Waisenhaus.
Escholzmatt, 17. Jh. als Spital gebraucht bis ins 20. Jh.
Luzern, St. Jakob an der Senti, auch verschiedene andere Kranke, bis ins 19. Jh. als Armenhaus und Spital betrieben.
Neuenburg
Bevaix, Boudry, Cernier, La Chaux-de-Fonds, Colombier, Cortaillod, Cressier et Le Landeron, Fontaines, Le Locle, Môtiers, St. Blaise, alle ohne Jahrzahl.
Neuenburg, 1289-1651, diverse Standorte bis 1419, Neubau 1419 östlich des alten Stadtkerns, Renovation 1486, im 18. Jh. zerfallen, 1724 abgerissen.
Nidwalden
Stans, 1496-16.Jh., 1560 Spital, ab 1860 Zuchthaus.
St. Gallen
Altstätten, 1360, bis 1847 als Armenhaus verwendet, danach abgebrochen.
St. Gallen Bruggen, 1567, im 17. Jh. Kranken und Armenasyl, ab 1781 Zucht- und Korrektionshaus.
Rohrschach, 1447-17. Jh., ab 1781 Armen- und Waisenhaus.
Schaffhausen
Schaffhausen auf der Steig, 1286-Anfang 17. Jh., Ende des 15. Jh. Neubau, ab 1650 andere Kranke wie Taubstumme, Epileptiker aufgenommen, im 18. Jh. Armenhaus, im 19. Jh. Asyl Steig.
Schwyz
Einsiedeln, 1465-1715, 1563 anderer Standort und 2-stöckiges Haus, 1686 und 1706 Renovationen, 1767 baufällig, 1772 abgebrannt, 1773 als kleineres Spital neu errichtet, Anfang des 19. Jh. Abgebrochen.
Lachen, 15. Jh., 1768 und 1814 Renovationen, 1866 verkauft.
Tessin
Keine Leprosorien bekannt, Sieche brachte man möglicherweise nach Como und Mailand.
Thurgau
Bischofszell, 14.-17. Jh., Neubau vor 1533, ab 1660 als Armenhaus genutzt.
Frauenfeld, 1327-1670, 1540 neu gebaut, ab 1810 als Armenhaus gebraucht.
Uri
Altdorf, 16. Jh., ab 1840 Zuchthaus, später Privatbesitz.
Waadt
Lausanne Vidy, 1461-1630.
Vevey-Burier, 1288-1649, 1486 Renovation, 1758 Abbruch und Neubau.
Yverdon, 1343-1520, erstes Haus, 2. Haus ab dem 14. Jh., 1454 + 1508 mehrmals Renovationen.
Wallis
Sion, 1272-15./16. Jh.?, zwei Standorte, Mitte des 18. Jh. Abgerissen.
Zug
Zug, 1435-17 Jh., 1522 Neubau, 1912 abgerissen, 1814 ein Armenhaus als Neubau, später das St. Annenasyl.
Zürich
Winterthur, St. Georgen am Feld, 1287-17. Jh., ab 1680 weitere Kranke, bis 1814 allgemeines Asyl.
Zürich St. Jakob an der Sihl, 1221-17. Jh., seit 1646 weitere Kranke, 1677-1842 Armenhaus und Altersheim, 1903 abgerissen.
Zürich Spanweid, 1367-1600, ab 1630 auch andere Kranke, 1865-1884 Quarantänestation für Pocken-, Typhus- und Cholerakranke, 1894 verkauft.

Text: Walter Zwahlen


Lepra in der Schweiz von Christian Müller
Herausgegeben von der Leprahilfe Emmaus Schweiz
Chronos Verlag, ISBN 978-3-0340-0859-4

Siechenhaus von Burgdorf und dessen Kapelle. Lepraklapper