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Walter Studer, Fotograf

Walter Studer

Im 20. Jahrhundert holte man sich als Fotograf kaum Lorbeeren, wenn man das Elend der Armen und ihren Kindern abbildete. Noch weniger konnte jemand mit solchen Bildern seine Existenz bestreiten. Walter Studer war einer der wenigen, neben Paul Senn und Theo Frey, welche durch ihr persönliches Engagement für die Betroffenen behördlicher Zwangsmassnahmen Pionierarbeit leisteten. Die Bilder von Walter Studer bilden deshalb einen wichtigen Teil in der fotografischen Aufarbeitung der Fremdplatzierungspraxis und gehören als unverzichtbaren Teil zur längst fälligen wissenschaftlichen Erforschung und Aufarbeitung der Sozialgeschichte der Schweiz.

netzwerk-verdingt sprach mit seinem Sohn Peter Studer, welcher ebenfalls Fotograf ist.

netzwerk-verdingt: Was hat Deinen Vater dazu bewogen, sich diesen Schicksalen als Fotograf zu widmen?

Peter Studer: Mein Vater arbeitete zum Teil an freien Themen, da er aber eine Familie zu ernähren hatte war er auch auf Aufträge angewiesen. Die Reportage über die Verdingkinder ist laut Einträgen in seinen Agenden von 1952 und 1954 als Auftragsarbeit für die Schweizer Illustrierte Zeitung SJZ entstanden und wurde zum Teil auch in diesem Printmedium abgedruckt.

n-v: Hast Du als Kind etwas von Engagement Deines Vaters mitbekommen?

P.St.: Als Kind habe ich davon wenig mitbekommen, da mein Vater über seine Arbeit nicht viel gesprochen hat. Später, als ich mit ihm fast 15 Jahre lang unterwegs war, kamen viele Geschichten zusammen. Als Arbeiterkind hat ihn Ungerechtigkeit immer beschäftigt. Seine Neugierde und vor allem sein Beruf als Fotograf verlangten viel Anpassungsvermögen um zum Ziel zu gelangen und gute Fotos zu machen. Natürlich war er sich bewusst, dass ein Bild nie objektiv ist, ob es nun gut oder schlecht gelungen ist.

n-v: Du wurdest ebenfalls Fotograf. Wie weit hat Dich Dein Vater in der Parteinahme für sozial Schlechtergestellte beeinflusst?

P.St.: Alle sind von vielen Dingen, wie Menschen, Bücher, Reisen, usw. beeinflusst. Auch ich musste meinen Weg finden, schwierige Schulzeit, Lehre als Fotograf, Waldarbeiter in Kanada, Reisen nach Indien und Afghanistan, Familie und die Zusammenarbeit mit meinem Vater. Mein Vater hat mich nie mit Worten beeinflusst. Es waren seine Taten, sein Handeln, die mich prägten. Manchmal regte mich als junger Mensch seine Bescheidenheit auf. Eine seine grossen Stärken war sicher seine Geduld. Er konnte warten und manchmal gelang das beste Bild, wenn es niemand mehr erwartete.

n-v: Wie siehst Du heute die fotografische Hinterlassenschaft Deines Vaters in dieser Thematik?

P.St.: Im Dezember 2013 habe ich eine Reportage von meinem Vater vergrössert. Im Weltflüchtlingsjahr 1962 war er in Österreich. Dort fotografierte er vergessene Flüchtlinge, die nach dem 2.Weltkrieg noch immer in Baracken lebten. Diese Bilder sind mit viel Respekt und Mitgefühl für diese Menschen aufgenommen. Sicher war mein Vater nicht der rasende Reporter. Heute würde man diese Arbeit der „Humanistischen Fotografie“ zuordnen. So gab und gibt es immer Menschen, die versuchen in Wort oder Bild auf Ungerechtigkeit hinzuweisen.
Ich denke, dass jeder in seiner Zeit versuchen muss seinen Beitrag zu leisten.

Interview: Walter Zwahlen

Walter Studer
Nach seiner Lehrzeit arbeitet Walter Studer (1918 - 1986) sieben Jahre für die Agentur Photopress. 1948 machte er sich in Bern selbstständig. In den Nachkriegsjahren entstanden Reportagen in der Schweiz und Europa zu weltbewegenden und alltäglichen Themen, vor allem für Zeitungen und Zeitschriften wie die Schweizer Illustrierte und Sie+Er. Später folgten Aufträge für Werbung, PR, Industrie und weitere Reportagen. Als Beispiel entstanden in den 1960ern für die SBB (Schweizer Bundesbahn) Plakate, Broschüren und Kalender. Auch begleitete Walter Studer die Schweizer Fussball-Nationalmannschaft 1962 nach Chile zur Weltmeisterschaft. Von 1974 bis zu seinem Tod 1986 arbeitete er mit seinem Sohn Peter für die Monatszeitschrift „Schweiz, Suisse, Svizzera" in schwarzweiss. Es entstanden über hundert Ausgaben. Der Nachlass von Walter Studer liegt bei seinem Sohn Peter Studer in Bern, Schweiz.

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