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François Truffaut

François Truffaut

Der französischer Filmregisseur, Filmkritiker, Schauspieler und Produzent François Truffaut hatte als Kind einen denkbar schlechten Start. Er wurde 1932 in Paris unehelich geboren, das bedeutete damals, ein Mängelexemplar zu sein. Seine Mutter, Jeanine de Montferrand, heiratete 1933 den Architekten Roland Truffaut, der François adoptierte. Dennoch wuchs François 9 Jahre lang bei seiner Grossmutter auf. Erst 1942 nach ihrem Tod, nahmen ihn die Mutter und der Adoptivvater zu sich. Truffaut galt in seiner Jugend als schwer erziehbar und landete deshalb in mehreren Erziehungsheimen, wo er Gewalt und Unrecht erlebte. Sein ganzes Leben lang setzte er sich mit dem Thema Kindheit auseinander und engagierte sich für die Rechte schutzbedürftiger Kinder. Schreibend und filmend setzte er sich kritisch mit der zeitgenössischen Gesellschaft, ihrem Schul- und Erziehungssystem auseinander.

Truffauts Engagement für Kinder
Auffallend in Truffauts Werken ist die starke Präsenz von Kindern. In vier seiner Filme (einschliesslich eines Kurzfilms) spielen Kinder die Hauptrolle, in vielen weiteren kommen Kinder vor. Während sein früher Kurzfilm Die Unverschämten, 1957, sich noch überwiegend mit der heiteren Seite der Kindheit befasst, handelte sein erster langer Spielfilm Sie küssten und sie schlugen ihn (1959) bereits von problembehafteten Kindern in einer unverständigen Erwachsenenwelt. Seit dieser Zeit interessierte sich Truffaut für pädagogische Experimente. 1964 wurde er Mitglied der Paten des Secours Populaire Français, einer Vereinigung, die sich um Kinder aus benachteiligten Familien kümmerte. 1967 wurde er Präsident des Stiftungsverbands der SOS-Kinderdörfer. Im April 1967 erhielt er Gelegenheit, einen Tag lang auf dem Radiosender France-Culture das Programm zu gestalten. Er wählte das Thema Kindesmisshandlung. Die zehnstündige Sendung erhielt grosse Resonanz: Viele Anrufe, ausführliche Presseberichte und zweihundert Briefe von Zuhörern. Sein Engagement für die Sache der Kinder hat ihren Ursprung in den eigenen Kindheitserfahrungen. Im Paris des Zweiten Weltkriegs hatte er sehr unter der Grausamkeit und Gleichgültigkeit der Erwachsenen zu leiden, seine Eltern eingeschlossen.

Sie küssten und sie schlugen ihn (Les quatre cents coups),
1959, s/w, 95 min
Dieser Film ist Truffauts erster Langfilm und begründete die Nouvelle Vague mit. Der Spielfilm zeichnet den Weg des jungen Antoine nach, der in ärmlichen und lieblosen Verhältnissen bei seiner Mutter und seinem Stiefvater aufwächst. Angestiftet von Mitschülern wird Antoine durch Streiche in der Schule auffällig. Er schwänzt die Schule, verstrickt sich in Lügen. Als er zusammen mit einem Mitschüler die Schreibmaschine seines Stiefvaters entwendet, um sie im Leihhaus zu versetzen, aber bei diesem Versuch scheitert, übergeben ihn seine Eltern der Polizei. Später willigen sie ein, Antoine in einem Heim für Schwererziehbare unterzubringen. Antoine flieht schliesslich vor den Grausamkeiten aus der Einrichtung.

Taschengeld (L’argent de poche), 1976, Spielfilm, farbig, 101 min
Im Film spielen Kinder die Hauptrollen. Er ist Truffauts Hommage an die Kindheit. Taschengeld" führt zurück in die legendäre Kinokultur der 70er - er zeigt ein Schuljahr im französischen Städchen Thiers. Kinder und Erwachsene beschäftigen sich mit den Dingen des Alltags. Aber nicht bei allen läuft es unbeschwert, mehrere Ladendiebstählen eines Jungen lassen im Laufe des Sommers eine schockierende Wahrheit erkennbar werden. Der Schüler Julien und kommt aus armen Verhältnissen. Patrick, ein Schüler seiner neuen Klasse entdeckt, dass Julien in einer Bruchbude lebt. Als Julien von seiner Lehrerin aus dem Klassenraum verwiesen wird, stiehlt er im Korridor Geld aus den Jacken seiner Mitschüler. Bei einer medizinischen Untersuchung stellt sich schliesslich heraus, dass Julien zu Hause misshandelt wird. Seine Mutter und Grossmutter werden in der Folge von der Polizei festgenommen. Julien soll nun bei Pflegeeltern untergebracht werden. Der Lehrer spricht mit seinen Schülern über Julien und versucht ihnen zu vermitteln, dass Kindesmisshandlung unentschuldbar sei.

Der Wolfsjunge (L’enfant sauvage),1969, 80 min, s/w,
Der Film kam 1970 ins Kino. Er spielt um das Jahr 1800 in Frankreich und basiert auf der Lebensgeschichte des Wolfsjungen Victor von Aveyron, welche der Arzt Jean Itard aufgezeichnet hatte. Das elfjährige Findelkind wurde splitternackt von Jägern aufgegriffen und zu wissenschaftlichen Zwecken später dem Arzt Jean Itard überlassen. Der Wolfsjunge gehört zu den Schlüsselwerken des Regisseurs. Truffaut, der selbst die Rolle des Dr. Itard spielt, verbindet hier zwei seiner Kernthemen: Kinder und Bildung. Der mit geringem Etat gedrehte Film erhielt eine Reihe von Preisen und stiess in Frankreich und in den USA über Cinéastenkreise hinaus auf unerwartet grosse Resonanz. Er traf mit seiner Thematik in den damaligen Jahren der Studentenunruhen den Nerv der Zeit und bildete die Grundlage für den Ruf Truffauts als „pädagogischer Regisseur“.