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Walz: Strenge Arbeit, schmale Kost, geringer Lohn

Walz

Nach bestandener Lehre in einem Handwerksberuf bei einem Zunftmeister folgte eine gewisse Zeit als Geselle. Damit verbunden war manchmal auch eine berufliche Weiterbildung bei einem anderen Meister, seit langem auch im Ausland. Heute gilt diese Tradition fast nur noch für Zimmerleute. Wer in seiner Familiengeschichte zurückforscht, findet eine solche Walz vielleicht beim Gross-, Ur- oder Ururgrossvater. Sinnbildlich auch im Spruch „fremdes Brot essen“ enthalten. Als Geselle gehörte man früher jedoch zu den Besitzlosen, den Habenichtsen.

Begriff:
Wanderjahre bezeichnet die Zeit der Wanderschaft der Zunft-Gesellen nach dem Abschluss ihrer Lehrzeit. Sie war seit dem dem Spätmittelalter bis zur fortschreitenden Industrialisierung eine der Voraussetzungen der Zulassung zur Meisterprüfung. Die Gesellen sollten vor allem neue Arbeitspraktiken, fremde Orte, Regionen und Länder kennenlernen sowie Lebenserfahrung sammeln. Bekannt sind nur einzelne fragmentarische Überlieferungen, die sich überwiegend auf den Zeitraum zwischen dem späten 18. und frühen 20. Jahrhundert beziehen. Die Geschichte der Wanderschaft als Teil der Handwerks und Industriegeschichte sowie der Migrationsforschung zu diesem Thema ist bislang nur in Bruchstücken rekonstruiert.

Geschichte:
Diese Wanderpflicht war von den Zünften in den Wanderordnungen festgeschrieben worden. Je nach Gewerk wurde unterschiedlich stark auf Wissens- und Technologietransfer gezielt. Die Wanderung bildete auch ein Steuerungsinstrument am Arbeitsmarkt. Die Meister konnten die Beschäftigung flexibel gestalten. Den Gesellen eröffnete sie Chancen, sowie Verdienst auf einem teilweise gesättigten Arbeitsmarkt. Die Gesellenwanderungen sind auch eine migratorische Suche nach Arbeit, Fortbildung, Familienbildung und Sesshaftigkeit. Trotz der Gewerbereform, der Aufhebung des Wanderzwangs, dem Bedeutungsverlust der Zünfte und der zunehmenden Industrialisierung blieben die Bewegungsmuster der Handwerksgesellen daher bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts bestehen. In manchen Städten wurden auch Häuser für Übernachtung und Kost angeboten. Wenn der Wandergeselle in eine fremde Stadt kam, hielt er mit Hilfe eines dazu bestimmten Schaumeisters oder Schaugesellen seines Gewerbes Umschau, indem er in bestimmter Reihenfolge die Werkstätten am jeweiligen Ort aufsuchte und um Arbeit nachfragte. Fand er keine, bekam er bei bestimmten Zünften Unterkunft, Essen, ein kleines Zehrgeld geschenkt, und reiste umgehend weiter. Wer blieb, die Arbeit annahm, musste sich wenigstens auf bestimmte Zeit, oft ein halbes Jahr, beim Meister verpflichten. Für die gesamte Walz war das Wanderbuch unentbehrlich. Damit Route, Dauer der Walz, die einzelnen Arbeitsplätze, erworbenes Wissen, Können schriftlich festgelegt waren. Ohne Wanderbuch gab es keine Grenzübertritte, die Anmeldung bei den örtlichen Behörden für die Arbeitsbewilligung oder Unterkunft.

Text: Walter Zwahlen


Strenge Arbeit, schmale Kost, geringer Lohn - Erinnerungen aus Oberrieden ZH
Staub, Heinrich; Staub, August; Staub, Jakob
Schweizerische Gesellsch. f. Volkskde, 1995, Taschenbuch
ISBN: 3908122627

Hans Heinrich Staub 1812-1888 mit Gattin (l.) und Sohn August Staub 1838-1904 (r.).

Reiseroute des Hans Heinrich Staub
In Bern fanden Handwerksgesellen auf der Walz Unterkunft im Burgerspital.