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Interview
mit Nicole Windlin,
Leiterin Suchdienst SRK

netzwerk-verdingt: Der Suchdienst des SRK entstand im letzten Jahrhundert als Reaktion auf die beiden Weltkriege: Familien wurden auseinandergerissen, Hunderttausende von Personen wurden vertrieben, getötet, kamen in Kriegsgefangenschaft oder blieben verschollen. Was hat sich in den letzten zwanzig Jahren verändert?

Nicole Windlin

Nicole Windlin: Die Situation der Kriegsbetroffenen hat sich leider nicht gross verändert, immer noch verlieren viele Personen aufgrund von bewaffneten Konflikten den Kontakt zur Familie. Heute haben wir es vermehrt mit Konflikten zu tun, die innerhalb eines Landes zwischen verschiedenen Interessengruppen stattfinden. Auch haben sich durch das Internet die Kommunikationsmöglichkeiten verändert. Die Kommunikation ist einfacher und schneller, was aber nicht heisst, dass Kontakte nicht mehr verloren gehen.

n-v: In Zusammenarbeit mit den Organisatoren der Wanderausstellung «Verdingkinder reden» und Betroffenenorganisationen bieten Sie neu auch eine Suchdienstleistung für ehemalige Verdingkinder an, die Geschwister suchen, Lücken in ihren persönlichen Akten haben oder bei der Akteneinsicht auf Schwierigkeiten stossen. Wie können Sie in diesen Fällen helfen?

N. W.: Mit unserer Erfahrung können wir zwar nicht in allen Fällen, aber doch bei einigen Anfragen helfen, die geeigneten Quellen für die Suche ausfindig zu machen. Wir wissen oft, wo sich welche Akten befinden könnten und können betroffene Personen mit den Informationsquellen vernetzen.
Für die Kontaktaufnahme mit Familienmitgliedern können wir die wichtige Rolle der Vermittlungsperson übernehmen. Die Familienzusammenführung ist nach vielen Jahren der Trennung oder aus anderen Gründen oft nicht ganz einfach oder mit vielen Emotionen verbunden.

n-v: Sie müssen bestimmt auch Menschen enttäuschen, die jahrelang gehofft haben, Vermisste oder Überlebende zu finden. Was gibt Ihnen die Kraft, diese Arbeit fortzuführen?

N. W.: Die Erfolge und die vielen positiven Rückmeldungen und die zum Ausdruck gebrachte Wertschätzung der betroffenen Personen.

n-v: Gibt es eine qualitative und quantitative Bilanz des Suchdienstes seit Beginn bis heute?

N. W.: Quantitative Angaben zu machen ist schwierig, da über die Jahre hinweg in der Schweiz und auch weltweit keine einheitliche Statistik geführt worden ist. Es gibt Jahre, vor allem nach den grossen Kriegen des letzten Jahrhunderts, in denen die Suchdienste des Roten Kreuzes eine schier unglaubliche Arbeit geleistet haben. Mit Bezug auf die Qualität lässt sich sagen, dass die Dienstleistungen schneller geworden sind. Zudem ist der Suchdienst des SRK so ausgebaut worden, dass er nicht nur administrative Unterstützung bieten kann, sondern die Personen auf dem oftmals schwierigen, von Hoffnung und Verzweiflung geprägten Weg der Suche durch uns auch psychosozial begleitet werden können.

Interview: Walter Zwahlen