Verein

Entstehung, geschichtlicher Hintergrund
Der Verein netzwerk-verdingt wurde am 3. 7. 2008 in Bern von ehemaligen Verdingkindern gegründet. Er ist politisch und konfessionell neutral. Er verfügt über vielfältige Kontakte im In- und Ausland und vertritt die Anliegen der Betroffenen gegenüber den Institutionen.

Während ihrer Kindheit wurden die Kinder aus meist armen Familien oder Waisen durch die Behörden in Säuglings- und Kleinkinderheime platziert. Mit dem Schuleintritt brachte man sie zu Bauern, wo sie Verdingkinder bis zum Schulende blieben. Die Mehrheit der Betroffenen musste dort während ihrer Kindheit Sklavenarbeit leisten. Das Schlimmste war die Trennung vom Elternhaus und den Geschwistern. Man stiess sie in ein für heute kaum mehr vorstellbares Elend: geprägt von Isolation, Hunger, Kälte, Gewalt, Diskriminierung, sexuellen Übergriffen und ein Leben in Lumpen und Dreck. Selbst die minimste Hygiene fehlte. Weil die Kinder nach Stall stanken, wurden sie auch in der Schule gemieden oder gestraft. Die ständige körperliche Überforderung und der Schlafmangel wegen überlangen Arbeitszeiten waren Gift für die Anforderungen im Unterricht. Viele erhielten nur eine rudimentäre Bildung. Chancen für eine Berufslehre bekamen nur die wenigsten und dies kaum vor Mitte des 20. Jahrhunderts. Schon Jahrhunderte vorher beutete man sie als billigste Arbeitskräfte in der Landwirtschaft aus. So blieben sie ungewollt Mägde und Knechte ein trauriges Leben lang. Erst in den 1970er Jahren fand diese üble Praxis endlich ein Ende.

Tätigkeit und Engagement des Vereins
Die Hauptaufgabe des Vereins besteht darin, die legitimen Interessen der Betroffenen wahrzunehmen. In seiner Öffentlichkeitsarbeit durch die eigene Homepage, Interviews, Konferenzen und Lesungen vermittelt der Verein die Thematik der aktuellen Gesellschaft. Als wichtiges Schaufenster dokumentiert der monatliche Newsletter unterschiedlichste Aspekte der zwangsweisen Fremdplatzierung. Weiter hat der Verein vor acht Jahren eine breitangelegte Fachbibliothek in Angriff genommen, die inzwischen über 900 Werke in 4 Sprachen umfasst. Davon sind etwas über 400 Titel bereits im Schweiz. Sozialarchiv in Zürich in der Ausleihe für Studierende erhältlich. 2019 werden weitere über 300 Werke in deutsch, italienisch und englisch, sowie etwa 220 Titel in französisch dazukommen. Weiter konnte der Verein durch eine Spende zum 10-jährigen Bestehen eine mehr als 150 Titel als DVDs umfassende Mediathek schaffen.

Der Verein war auch an der Vorbereitung des offiziellen Entschuldigungsanlasses vom 11. April 2013 im Berner Kulturcasino aktiv beteiligt. Mit Historikern und anderen Opferorganisation besteht eine enge Zusammenarbeit über die Sprach- und Landesgrenzen hinaus.

Der Verein engagierte sich aktiv für eine finanzielle Wiedergutmachung der Opfer durch den Bund. Er war auch am runden Tisch, welcher 2013 von Frau Simonetta Sommaruga ins Leben gerufen worden war, vertreten. Er brachte dort die Forderungen, nach einem Kompetenzzentrum, einer Dokumentationsstelle, einem erleichterten Aktenzugang zu den persönlichen Dossiers der Betroffenen ein. Zusammen mit Verbündeten verlangte der Verein schliesslich eine umfassende wissenschaftliche Forschungsstudie über die Sozialgeschichte der Schweiz zu diesem Kontext.

Vor knapp drei Jahren entstand zusammen mit der Agentur keystone/SDA und dem Fotografen Peter Klaunzer eine Portraitausstellung mit den Kurzbiografien Ehemaliger, welche bereits an zwei Orten in der Schweiz zu sehen war.

Weiter wurde auch ein Forschungsprojekt zur fotohistorischen Aufarbeitung der Verdingkindergeschichte erarbeitet. Der Verein hat in den letzen 10 Jahren diverse Publikationen realisiert und zwei Pilotstudien zu wichtigen Themen realisiert. Der Verein ist am Vorbereiten weiterer Recherchen und Pilotstudien zu diversen noch unbearbeiteten Themen.

Der Verein ist für neue Mitglieder offen.

Walter Zwahlen zu den Zielen des Vereins:
Artikel Berner Zeitung, 8. 12. 2011 (pdf)

E:Mail: info@netzwerk-verdingt.ch
Internet: www.netzwerk-verdingt.ch